Nachdem trotz Mini-Lockdowns die Corona-Zahlen weiter steigen, wird es Zeit, endlich Konsequenzen für jenen Ort zu ziehen, wo es weder Kontaktbeschränkungen noch eine Reduzierung der Haushalts-Begegnungen gibt: Unsere Schulen.
„Es wird Zeit, dass wir endlich die Reißleine ziehen und die Schulen eine klare Ansage bekommen, ihre Schulhäuser zu schließen und auf Fernunterricht umzusteigen“, fordert Matthias Wagner-Uhl, Vorsitzender des Vereins für Gemeinschaftsschulen. Dass stattdessen in einem vermeintlich coronafreien Paralleluniversum Zahlen solange gedreht und gewendet werden, bis alles weiter läuft wie bisher, macht den erfahrenen Pädagogen und dreifachen Vater fassungslos. Denn: Mit einem „Regelbetrieb“ hat das aktuelle Präsenzgeschehen an den über 4.000 Schulen im Land absolut nichts zu tun.
„Natürlich ist eine komplette Schule@Home für uns als Verantwortliche vor Ort eine riesige Aufgabe – aber es ist die einzige Möglichkeit, um an den Schulen schlimmeres zu verhindern“, erklärt Wagner-Uhl und er weiß: „Sehr viele Gemeinschaftsschulen sind für das Lernen auf Distanz gut aufgestellt, sie haben den Plan für die Notbetreuung in der Schublade und würden lieber heute als morgen umsteigen“. An das Lernen auf Distanz sollte sich dann ein Wechselmodell anschließen, um die Lage an den Schulen weiter zu entzerren.
Fakt ist: Die Situation ist für alle Schul-Beteiligten unerträglich: „Wenn die Ministerin ihr blindes Beharren auf Präsenzunterricht auf die Erfahrungen aus dem Frühjahr basiert, entlarvt es auch, dass sie die enormen Entwicklungen vieler Schulen im Land komplett verpasst hat“, so Wagner-Uhl. Wer in der hoch-dynamischen Pandemie die Vor-Ort-Maßnahmen eines Dreivierteljahres negiert, zeigt, dass er seiner Verantwortung in keiner Weise gerecht wird. Stattdessen regiert an den Schulen die Angst: „Wenn uns Alltagsmasken derart gut schützen, dass in Schulen allgemein gültige Quarantäneregelungen ausgesetzt sind, warum darf dann niemand in Krankenhäusern und Altenheimen Besuche machen?“, fragt sich der Vereinsvorsitzende wie viele seiner Kolleg:innen.
Der Interessensvertreter ist wie weite Teile der Schulwelt im Südwesten zutiefst über das Corona-Management der Kultusministerin empört: „Das RKI empfiehlt weiterhin bei einer Inzidenz von 50 den Übergang zu Wechselunterricht – doch was passiert? Die Inzidenzzahlen, bei denen an den Schulen reagiert werden soll, werden laufend nach oben korrigiert und selbst dann noch die Verantwortung auf die Leitungskräfte vor Ort abgewälzt – das ist menschenverachtend, riskant, auf seine Art geradezu wahnsinnig“, sagt der Vereinsvorsitzende. Misstrauisch machen ihn auch die Krokodiltränen der Ministerin in Sachen Bildungsgerechtigkeit und die Verlierer:innen des dreigliedrigen Schulsystems: „Wäre diese Liebe echt, hätten wir wesentlich weniger Bildungsverlierer:innen in unserem Land – wir an den Gemeinschaftsschulen zumindest wissen wie es geht!“
Das Spiel der Kultusministerin mit Menschenleben und Bildungsbiografien sowie ihre Ignoranz gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen beschäftigt auch die Eltern: "Warum soll man in der Schule noch Wissenschaftlichkeit lehren, wenn hierzulande eine Wissenschaftsleugnerin für die schulische Qualität verantwortlich ist?“, fragt Dr. Ulrike Felger, Sprecherin des Elternnetzwerks im Gemeinschaftsschulverein und promovierte Naturwissenschaftlerin. Eine ausgeprägte Bildungsaffinität im Kultusministerium sei kaum überraschend, dass aber eine Fachfremde in wenigen Wochen zur Epidemologin, Virologin und Bildungsforscherin wird, die internationale Koryphäen übertrumpt, lässt doch aufhorchen, findet Felger: „Da wissen wir ja, wo wir uns für den Neuanfang nach der Krise die heißen Fortbildungstipps holen müssen!“
Aus Sicht des Gemeinschaftsschul-Vereins geht am temporären Abschied vom Präsenzunterricht kein Weg vorbei. Das Zeitfenster für einen Wechselunterricht, um doch noch für glückliche Familienweihnachten zu sorgen, hat die Ministerin ohnehin bereits verpasst: „Das ist nur noch in Kombination mit Reihenuntersuchungen der Beteiligten der Präsenzphase denkbar“, findet Wagner-Uhl.
Auch wenn der Wahlkampf schon läuft: Der Gesundheitsschutz muss endlich auch an den Schulen oberste Priorität haben, sagt Wagner-Uhl: „Wir haben mit viel Einsatz alles vorbereitet, um als Schulen unsere Schüler:innen gut aufzufangen - jetzt wollen wir unsere Schulgemeinschaften endlich schützen dürfen!“
Für weitere Fragen und O-Töne stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Matthias Wagner-Uhl