Mitgefangen, mitgehangen

  • Dr. Ulrike Felger
  • NETZWERK ELTERN

Mitgefangen, mitgehangen

Die Vorgaben rund um die Wiedereröffnung der Schulen sorgen bei vielen Beteiligten für Bestürzung. Ein Statement des Elternnetzwerks im Verein für Gemeinschaftsschulen zur Krise in der Krise.

Selten stand das Thema Schule so in der öffentlichen Aufmerksamkeit wie in Corona-Zeiten. Nachdem den Familien vor genau einem Monat aus heiterem Himmel der Auftrag einer Schule@Home vor die Füße gekippt wurde, werden nun neue Anforderungen ausgelobt. Zwischen vorsichtiger Schulöffnung, erweiterter Notfallbetreuung und in weiten Teilen einer unbestimmten Fortführung der Schule@Home müssen Familien ihre individuelle Lebensplanung erneut grundlegend neu sortieren.

Wie es in Krisen üblich ist, sind Entwicklungen dynamisch, Abschätzungen kaum möglich und Orientierung gebende Ansagen vage. In dieser Gemengelage Politik zu machen, ist eine Herausforderung, die unsere Landesregierung und ihr vorweg unser Ministerpräsident zum Glück vorbildlich meistert.

Dann tatsächlich: Wer das VUCA-Prinzip bisher belächelte, wird gerade brutal eines besseren belehrt. Zum Wesen der Krise kommen im Bildungsbereich die Grundzüge eines schon zuvor bestenfalls holprig funktionierenden Schulsystems: Verantwortungen werden wegdelegiert, Zuständigkeiten weitergespielt, vieles ist auf Kante genäht, Erfahrungen aus der Praxis werden ausgeblendet und die Stimmen der direkt Betroffenen konsequent überhört.

Angesichts der avisierten Schulöffnungen und einem geradezu eifernden Fokus auf Prüfungstermine und Abschlusszeugnisse stellt sich für Eltern heute die Frage: Warum ist dieser ganze Zirkus mit seinem Rattenschwanz an Konsequenzen überhaupt notwendig? Wo kommen darin jene Kinder und Schulen vor, die sich schon vor vielen Wochen den Herausforderungen der Schule@Home gestellt und diese ansehnlich gelöst haben?

Die Antwort ist einfach wie bitter: Zu viele Schulen im Land haben den Anschluss an die Jetzt-Zeit verpasst. Weil sie es nicht auf die Rille bekommen, sich adäquat um ihre Schülerinnen und Schüler zu kümmern, müssen nun sämtliche Schulen im Land den Spagat in alle drei Raumrichtungen machen. Zwischen Notbetreuung, Schulhausbetrieb und Schule@Home werden sich gerade engagierte und verantwortungsbewusste LehrerInnen endgültig aufreiben.

Statt funktionierende Beispiele Schule@Home wie sie an vielen Gemeinschaftsschulen, aber auch an anderen Schulen im Land in den letzten Wochen mit viel Energie der Beteiligten etabliert wurden, als Vorbild zu nehmen, wird eine neue Rund von Aktionismus, Verantwortungsmikado und Überforderung der Beteiligten eingeläutet.

Das Wohlergehen der beteiligten Schulakteure, deren physische, psychische und emotionale Gesundheit wird hintan gestellt an die tradierte Vorstellung „wie Schule auszusehen hat“.

Wer die Politik im Ländle kennt, spricht dabei von der normativen Kraft des Faktischen. Was das genau bedeutet? Auch in der Krise wird kommendes Jahr gewählt. Ihren Hut als CDU-Spitzenkandidatin kann Kultusministerin Eisenmann offenbar selbst angesichts existenzieller Herausforderungen nicht ablegen.

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